2006
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Eindrückliche Abschiedsspuren in Bildern und Fotografien
Sie thematisieren Schmerz, Abschied, Hoffnung und Erlösung in ihren Bildern. Die Ausstellung „Abschiedsspuren“ in Obersulm zeigt, wie Menschen aus dem Münchener Sankt Christopherus Hospiz in Bildern und Fotografien Abschied vom Leben genommen haben.
Der Hospizdienst Weinsberger Tal und die Gemeinde Obersulm eröffneten jetzt im Obersulmer Rathaus die beeindruckende Ausstellung mit 40 Exponaten. „Gegenüber dem Tod steht der Mensch zwischen der Scylla, der Resignation, und der Charybdis, der Rebellion. In der Kreativität finden wir vielleicht einen Weg, der uns bisweilen aus dieser Situation herausführt“, zitierte Pfarrerin Elfriede Schick bei der Ausstellungseröffnung einen Kunsttherapeuten, der Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet und zum Malen ermutigt hat.
In ihren Bildern hätten die Menschen ihre innersten Gefühle in Formen und Farben gebracht, Gefühle, die oft nicht in Worte zu fassen seien, sagte Elfriede Schick. Sie lobte Obersulms Bürgermeister Harry Murso für den Mut, diese Ausstellung im Obersulmer Rathaus zu zeigen. Auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten sei man mehrfach auch abgewiesen worden.
„Sterben und Tod sind so etwas wie die letzten Tabus unserer Zeit“, sagte Obersulms Bürgermeister. Diese Themen hätten meist keinen Platz im Alltag und würden an den Rand gedrängt, wo sie kaum wahrnehmbar seien. „Mit dieser Ausstellung zwingen wir uns, zwingen wir die Besucher des Rathauses zur Konfrontation, zur Auseinandersetzung mit dem Thema“, will Murso dazu beitragen, Ängste und Unsicherheiten abzubauen. Die Bilder würden neben vielen Fragen an den Betrachter auch Lichtblicke bieten.
Johannes Bahr vom Theater Heilbronn führte in beeindruckender Weise mit einer Lesung zum Thema Tod, Vergänglichkeit und Hoffnung hin. Dazu hatte er viele Gedichte, Texte, Gebete und Briefe von Kalil Gibran, Annette von Droste-Hülshoff, Hermann Hesse und vielen anderen Autoren zusammengestellt. Das Streichquartett der Musikschule Obersulm unter der Leitung von Ioan Lungu bereicherte die Vernissage mit drei Musikstücken von Joseph Haydn, Maurice Jarre und Georg Friedrich Händel.
„Ich finde es gut, wenn jemand seine Gefühle so in Bildern ausdrücken kann“, ist Marlene Ritter beeindruckt. „Die Botschaften der Bilder haben etwas Tröstliches“ glaubt Ernst Pelzl. Und Rita Gold aus Weinsberg sieht in den Bildern eine „Lebenshilfe für die letzten Tage“. Mit persönlichen Beziehungen hat Jutta Kiesel aus Ingelfingen, die im Hospiz arbeitet, die Ausstellung ins Weinsberger Tal geholt.
Die Ausstellung ist bis zum 19. Oktober während der Dienstzeiten des Rathauses in Obersulm zu sehen.
von Gustav Döttling in der Heilbronner Stimme vom 18.09.2006
Zarte Bilder einer Ausstellung als Schlüssel zum Paradies
Herr R. und sein Enkel malen miteinander, jeder für sich. Herr R. gestaltet in der Mitte seines Bildes eine schmale Landschaft, der Enkel füllt das Blatt mit lauter Blau, nur die Mitte lässt er frei. Die beiden Zeichnungen lassen sich ineinander legen, sie passen genau zusammen: ein tief-blauer Himmel wölbt sich über der fast nur angedeuteten Landschaft und spiegelt sich noch einmal unter ihr. Eine tiefe Harmonie und Vertraulichkeit zwischen Großvater und Enkel ist zu spüren.
Und wenn man weiß, dass es das letzte Bild ist, das die beiden zusammen gemalt haben, entdeckt man noch Tieferes. „Abschiedsspuren” ist der Titel der Ausstellung, zu der auch dieses kleine Werk gehört. Menschen, die in einem Hospiz ihrem Tod entgegengehen, haben in ihren Bildern von ihren innersten Gefühlen „erzählt`, für die ihnen vielleicht die Worte gefehlt haben mögen.
Zustände von Schwäche und Resignation, Wut und Verzweiflung wechseln mit Stärke und Zuversicht, mit innerem Frieden und der Bereitschaft, aus dieser Welt zu gehen. So sehe ich auch das Großvater-Enkel-Bild: Die Landschaft wirkt wie verloren auf dem großen Blatt, als habe er sich schon weit aus ihr entfernt und suche in der Leere um sie herum nach einem anderen Platz.
Und der Enkel spürt das instinktiv und hüllt alles ein mit seinem Blau, in der Malerei nicht nur die Farbe des sichtbaren Himmels, sondern gerade der Transzendenz, der Gottesnähe. Unbewusst zeigt der Kleine dem Sterbenden seinen
Platz. „Bilder sind der Schlüssel zum Paradies”, schreibt ein großer Kunstsammler. In den „Abschiedsspuren” (zu sehen im Rathaus in Affaltrach) lässt sich etwas davon erahnen.
Neben den oft bizarren Auseinandersetzungen mit dem nahen Tod berühren die zarten, leichten Farben und Formen, die Helligkeit und Wärme, die viele Bilder ausstrahlen. Und unwillkürlich fragt man sich als Betrachter, wie man selber mir dem Sterben umgehen würde, wäre es nicht in unbestimmter Ferne, sondern ganz nah vor der Tür. Dass wir alle sterben werden, ist eigentlich das Sicherste, was wir vom Leben wissen können. Und doch tun wir immer wieder so, als ob alle anderen sterblich wären, nur nicht wir selber.
n den Psalmen bittet einer um 'Einsicht in seine Endlichkeit: „Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden.” Was für eine Klugheit da-mit gemeint sein könnte, drückt eine alte Inschrift im Dom zu Schleswig mit einem Wortspiel aus: „Wir müssen täglich sterben, damit wir nicht sterben, wenn wir sterben.” Täglich sterben, die Gedanken an den Tod hereinlassen, das ist die Kunst, die Lebenskunst. Täglich sterben, das heißt, täglich leben, bewusst und dankbar für diese Zeit und im Wissen, dass jede Nacht schon ein Stückchen Abschied vom Leben ist. Sich dem öffnen bedeutet, jenes große Loslassen im Kleinen einzuüben, um das es am Ende gehen wird.
Mozart, an den wir in diesem Jahr so oft denken, hat früh gelernt: „Ich lege mich nie zu Bette ohne zu bedenken, dass ich vielleicht so jung als ich bin, den anderen Tag nicht mehr sehen werde – und es wird doch kein Mensch von allen, die mich kennen, sagen können, dass ich im Umgang mürrisch oder traurig wäre – und für diese Glückseligkeit danke ich alle Tage meinem Schöpfer und wünsche sie von Herzen jedem meiner Mitmenschen.”
Elfriede Schick in der Heilbronner Stimme vom 15.09.2006
Wertvolle Hilfe auf dem Weg zur Ruhe
„Manchmal erfüllen wir einen letzten Wunsch. Oft sind wir aber auch einfach nur da”, so beschreibt Margot Vohrer ihr ehrenamtliches Engagement als Hospizbegleiterin. Seit sechs Jahren besucht die Erlenbacherin Schwerkranke und Sterbende, hört ihnen zu, gibt ihnen Nähe und steht den Angehörigen mit Rat und Tat zur Seite.
Dabei war es gerade ihre eigene Unsicherheit im Umgang mit der Grenzerfahrung Sterben, die Margot Vohrer zum Hospizdienst gebracht hat: „Wir hatten einen Fall in der Familie, da hatte ich den Wunsch, aber auch gleichzeitig Angst, einem Menschen beim Sterben beizustehen.”
Heute ist Margot Vohrer nicht mehr unsicher. Aber die Arbeit führt sie dennoch immer wieder an die eigenen Grenzen heran: „Ich bin ein Schaffer und Macher”, sagt sie über sich. Im Hospizdienst habe sie gelernt, "sich damit abzufinden, dass man manchmal einfach nur dasitzen kann und aushalten muss, dass ein Mensch geht".
„Es macht auch Freude, sonst würde es keiner tun”, beschreibt Horst Gold, Vorsitzender des Hospizdienstes, die Arbeit als ein Geben und Nehmen von Zuneigung und Achtung. Dabei sind es nicht nur vereinsamte Menschen, die die Zuwendungen der Hospizbegleiterinnen in Anspruch nehmen. Gold sagt: „Irgendwann sind die pflegenden Angehörigen mit ihren Kräften am Ende. Dann ist es gut zu wissen, dass jemand da ist, der kommt und sich kümmert.”
Bei Bewältigung von Trauer steht das Hospiz zur Seite
Auch in punkto Trauerbewältigung stehen die Hospizbegleiterinnen den Angehörigen in einer Überforderungssituation zur Seite. „Wenn man vermitteln kann”, berichtet Margot Vohrer von einem Fall, "dass ein Sohn seine sterbende Mama in den Arm nimmt und mit ihr weint - dann hat man etwas Großes in Bewegung gebracht."
Im vergangenen Jahr sind so über 800 Einsatzstunden für die 25 ehrenamtlichen Helfer - fast ausnahmslos Frauen - zusammengekommen, übrigens, ohne zusätzliche Kosten für die Betroffenen zu verursachen. Denn finanziert wird der 1994 gegründete Verein über die Beiträge seiner 105 Mitglieder und durch Spenden.
Derzeit bereiten sich weitere 17 Frauen und drei Männer unter Leitung der ehemaligen Pfarrerin Elfriede Schick aus Wüstenrot-Neulautern auf ihr künftiges Engagement als Hospizbegleiter vor. Sie lernen, den Menschen die Angst vor den Schmerzen und der Einsamkeit zu nehmen, „damit diese die letzte Zeit ihres Lebens selbstbestimmt und erfüllt in vertrauter Umgebung verbringen können”. (st)
Andreas Tschürtz, 15.03.2006
Hospizdienst Weinsberger Tal: Telefon 07134/ 900147 oder 0172/ 9539709, Internet www.hospiz-weinsberg.de. Spendenkonto: Kreissparkasse Heilbronn, Konto 013 790 462, BLZ 620 500 00
Podiumsdiskussion über Sterbehilfe
Selbstbestimmungsrecht bis zur letzten Lebensminute, Patientenverfügung, passive oder aktive Sterbehilfe: Kontrovers, aber sehr sachlich diskutierten die Vertreter auf dem Podium in Weinsberg über diese komplexen Themen.
Aufmerksam verfolgen über 180 Zuhörer im Erhard-Schnepf-Haus die Veranstaltung von Hospizdienst Weinsberger Tal und Weinsberger Kirchen. Lutz Wagner, Leiter des SWR-Studios Heilbronn-Franken, führt die Teilnehmer durch ein "schwieriges Feld" von rechtlichen Möglichkeiten und moralischen Aspekten entlang der Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe.
Elke Ehrenfeld, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), spricht sich klar für das "selbstbestimmte Sterben" aus. Die gelernte Krankenschwester hofft auf eine gesetzliche Regelung wie in der Schweiz. Dort darf der Arzt den Freitod nach festgelegten Kriterien begleiten. Ehrenfeld sagt auch: "Wenn meine Krebskrankheit weiter geht, fahre ich in die Schweiz."
Sie vertritt damit die Minderheitsmeinung auf dem Podium. Elfriede Schick, Klinikseelsorgerin in Löwenstein und frühere Pfarrerin in Neulautern, setzt aus christlicher Sicht das "klare Nein" zur aktiven Sterbehilfe entgegen. Aber: Die Mediziner sollten alte Menschen auch sterben lassen, "wenn der Weg dazu eingeschlagen ist".
Dr. Karl-Heinz Koniczek, Leiter des Onkologischen Schwerpunktes Heilbronn im SLK-Klinikum am Gesundbrunnen, fühlt sich in der derzeitigen Rechtslage nicht eingeengt. Bei jährlich 1000 Krebspatienten in der SLK-Klinik höre er nur alle drei bis vier Jahre einmal den Wunsch nach Sterbehilfe im Gespräch. "Die Zahl ist sehr gering."
Dr. Sigmund Jakob aus Weinsberg betreut als Arzt die Patienten im Franken-Hospiz: "Wir Hospizärzte lehnen die aktive Sterbehilfe ab." Auch als Christ habe er keine Verfügungsgewalt über das Leben. Eine immer ausgeprägtere Schmerztherapie ermögliche Patienten eine Lebensqualität in der letzten Phase. Die beiden Ärzte befürchten jedoch einen "Dammbruch" und kritisieren die DGHS wegen einer möglichen Kommerzialisierung, wenn Deutschland gesetzliche Regelungen schaffe.
Ein Fachanwalt für Medizinrecht ist Dr. Markus Kleine aus Heilbronn. Er ließ sich auch zum Hospizhelfer ausbilden. Kleine nennt Grauzonen wie Wachkomapatienten, die künstlich am Leben erhalten werden oder die aktive Sterbehilfe wie in Belgien oder Holland, wenn unheilbare Menschen vom Arzt die "erlösende Spritze bekommen". Kleine rät davon ab, vorschnell Gesetze in Deutschland zu ändern. Zuerst müsse geklärt werden: "Was ist gesellschaftlich erwünscht?"
Einig sind sich alle über die Bedeutung von Patientenverfügungen. Nur zehn Prozent der Deutschen hätten eine, weiß Elke Ehrenfeld zu berichten. Die Mannheimerin hat festgelegt: keine Magensonde legen, nach zehn Tagen im Wachkoma alle Geräte abschalten. Anwalt Kleine findet die Verfügung sinnvoll, wenn man noch klar bei Sinnen sei. Aber: "Man kann nicht alle Situationen vorweg bestimmen." Wichtig sei auch, dass Angehörige Bescheid wissen, ergänzt Jakob. Theologin Schick hat keine Vorsorgevollmacht, "aber Freunde, die wissen, was ich will".
"Was ist das Recht auf Sterben in Würde?", lautet die Schlussfrage des Moderators. Größte Probleme sieht Kleine bei der aktiven Sterbehilfe, er erzählt von weiteren Überlegungen in Holland, ob Eltern die Entscheidung für ihr schwerstkrankes Kind treffen dürfen. "Ich will keine Drittentscheidung", pocht die DGHS-Vertreterin auf die Selbstbestimmung bis zum Tod. Onkologe Koniczek sieht keinen Bedarf für neue gesetzliche Regelungen. Sein Kollege Jakob würdigt die "gute Schmerztherapie und eine gute Sterbebegleitung". Und Elfriede Schick will, "dass an meinem Bett gebetet und gesungen wird".
Heilbronner Stimme am 10.03.2006 von Joachim Kinzinger
Eine große Hilfe
Zum Thema "Schmetterlingsgräber" vom 3. April.
Ich bin als Mutter eines Frühchens, von Herzen froh, dass die Stadt Heilbronn sich endlich dazu entschlossen hat, eine Gedenkwiese für die Schmetterlingsgräber bereit zu stellen. Viel zu lange war es ein furchtbarer Gedanke, dass tote Frühgeborene, nur weil sie "zu leicht" waren, als Krankenhausmüll verbrannt wurden. Natürlich ist Trauer nicht von einem Ort abhängig, an dem man trauern kann, aber es ist für viele Eltern sicherlich eine große Hilfe, an einen Ort zu gehen, an dem sie sich mit ihren toten Kindern verbunden fühlen können. Ich wünsche allen Schmetterlingseltern von Herzen viel Kraft, ihre Trauer zu bewältigen.
Karen Richter, Langenbrettach
???Jahr
Artikel zur Werbung neuer ehrenamtlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
In suizidalen Krisen da sein und begleiten
- Als Menschen für einen Menschen -
Der Arbeitskreis Leben (AKL) Heilbronn sucht ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Suizidnachsorge und Krisenintervention.
Eine neue Ausbildungsgruppe beginnt im Frühsommer 2006.
- Haben Sie Interesse an der Begegnung mit Menschen und wollen Sie Ihre Fähigkeiten einbringen und erweitern bei der Begleitung von Menschen in Lebenskrisen ...
- Tauschen Sie sich gern in einer MitarbeiterInnengruppe aus, die offen ist für Ihre Erfahrungen und Ihnen Unterstützung gibt ...
- Möchten Sie sich dabei selbst besser kennen lernen ...
...dann können Sie bei uns mitarbeiten.
Sie erhalten eine gute Ausbildung und werden so auf diese Mitarbeit vorbereitet. Anschließend werden Sie durch regelmäßige Supervision und Fortbildungen fachlich begleitet.
Wenn Sie an einer Mitarbeit interessiert sind und mehr dazu wissen möchten, nehmen Sie bitte Kontakt mit uns auf:
Arbeitskreis Leben (AKL)
Weinsberger Straße 45
74072 Heilbronn
Tel. (07131) 16 42 51
Fax (07131) 94 03 77
E-Mail AKLHeilbronn@aol.com
Träger:
Evang. Kirchenbezirk Heilbronn
Kath. Dekanatsverband Heilbronn-Neckarsulm
Heilbronner Stimme, 10.03.06
Selbstbestimmung bei Sterbehilfe?
Von Joachim Kinzinger
Selbstbestimmungsrecht bis zur letzten Lebensminute, Patientenverfügung, passive oder aktive Sterbehilfe: Kontrovers, aber sehr sachlich diskutierten die Vertreter auf dem Podium in Weinsberg über diese komplexen Themen.
Aufmerksam verfolgen über 180 Zuhörer im Erhard-Schnepf-Haus die Veranstaltung von Hospizdienst Weinsberger Tal und Weinsberger Kirchen. Lutz Wagner, Leiter des SWR-Studios Heilbronn-Franken, führt die Teilnehmer durch ein „schwieriges Feld“ von rechtlichen Möglichkeiten und moralischen Aspekten entlang der Grenze zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe.
Elke Ehrenfeld, Präsidiumsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS), spricht sich klar für das „selbstbestimmte Sterben“ aus. Die gelernte Krankenschwester hofft auf eine gesetzliche Regelung wie in der Schweiz. Dort darf der Arzt den Freitod nach festgelegten Kriterien begleiten. Ehrenfeld sagt auch: „Wenn meine Krebskrankheit weiter geht, fahre ich in die Schweiz.“
Sie vertritt damit die Minderheitsmeinung auf dem Podium. Elfriede Schick, Klinikseelsorgerin in Löwenstein und frühere Pfarrerin in Neulautern, setzt aus christlicher Sicht das „klare Nein“ zur aktiven Sterbehilfe entgegen. Aber: Die Mediziner sollten alte Menschen auch sterben lassen, „wenn der Weg dazu eingeschlagen ist“.
Dr. Karl-Heinz Koniczek, Leiter des Onkologischen Schwerpunktes Heilbronn im SLK-Klinikum am Gesundbrunnen, fühlt sich in der derzeitigen Rechtslage nicht eingeengt. Bei jährlich 1000 Krebspatienten in der SLK-Klinik höre er nur alle drei bis vier Jahre einmal den Wunsch nach Sterbehilfe im Gespräch. „Die Zahl ist sehr gering.“
Dr. Sigmund Jakob aus Weinsberg betreut als Arzt die Patienten im Franken-Hospiz: „Wir Hospizärzte lehnen die aktive Sterbehilfe ab.“ Auch als Christ habe er keine Verfügungsgewalt über das Leben. Eine immer ausgeprägtere Schmerztherapie ermögliche Patienten eine Lebensqualität in der letzten Phase. Die beiden Ärzte befürchten jedoch einen „Dammbruch“ und kritisieren die DGHS wegen einer möglichen Kommerzialisierung, wenn Deutschland gesetzliche Regelungen schaffe.
Ein Fachanwalt für Medizinrecht ist Dr. Markus Kleine aus Heilbronn. Er ließ sich auch zum Hospizhelfer ausbilden. Kleine nennt Grauzonen wie Wachkomapatienten, die künstlich am Leben erhalten werden oder die aktive Sterbehilfe wie in Belgien oder Holland, wenn unheilbare Menschen vom Arzt die „erlösende Spritze bekommen“. Kleine rät davon ab, vorschnell Gesetze in Deutschland zu ändern. Zuerst müsse geklärt werden: „Was ist gesellschaftlich erwünscht?“
Einig sind sich alle über die Bedeutung von Patientenverfügungen. Nur zehn Prozent der Deutschen hätten eine, weiß Elke Ehrenfeld zu berichten. Die Mannheimerin hat festgelegt: keine Magensonde legen, nach zehn Tagen im Wachkoma alle Geräte abschalten. Anwalt Kleine findet die Verfügung sinnvoll, wenn man noch klar bei Sinnen sei. Aber: „Man kann nicht alle Situationen vorweg bestimmen.“ Wichtig sei auch, dass Angehörige Bescheid wissen, ergänzt Jakob. Theologin Schick hat keine Vorsorgevollmacht, „aber Freunde, die wissen, was ich will“.
„Was ist das Recht auf Sterben in Würde?“, lautet die Schlussfrage des Moderators. Größte Probleme sieht Kleine bei der aktiven Sterbehilfe, er erzählt von weiteren Überlegungen in Holland, ob Eltern die Entscheidung für ihr schwerstkrankes Kind treffen dürfen. „Ich will keine Drittentscheidung“, pocht die DGHS-Vertreterin auf die Selbstbestimmung bis zum Tod. Onkologe Koniczek sieht keinen Bedarf für neue gesetzliche Regelungen. Sein Kollege Jakob würdigt die „gute Schmerztherapie und eine gute Sterbebegleitung“. Und Elfriede Schick will, „dass an meinem Bett geb
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Überblick
1. Ist aktive oder passive Sterbehilfe rechtlich zulässig? Zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland
2. Rechtspolitische Leitsätze der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben e.V. zu einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe
3. Einwände gegen eine Legalisierung aktiver Euthanasie
3. Einwände gegen eine Legalisierung aktiver Euthanasie
4. Zusammenfassung
1. Ist aktive oder passive Sterbehilfe rechtlich zulässig? Zur Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland:
Das deutsche Strafrecht wird von dem prinzipiellen Verbot der Tötung fremden Lebens bestimmt. Ausprägung dieses Fremdtötungsverbotes ist § 216 StGB. Nach dieser Bestimmung wird auch derjenige mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, der durch das ausdrückliche und ernsthafte Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden ist. Wer also allein aus Mitleid einen anderen Menschen tötet, wird selbst dann bestraft, wenn die Tötung von dem Getöteten ausdrücklich gewünscht wird. Wegen der besonderen psychischen Ausnahmesituation ist jedoch der Strafrahmen bei der Tötung auf Verlangen gegenüber den sonstigen Fremdtötungsdelikten deutlich reduziert.
Diesem Prinzip steht im deutschen Strafrecht die Straffreiheit der Selbsttötung gegenüber. Da der Suizid straflos ist, ist auch die Anstiftung oder Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar. Wer also einem Schwerstkranken auf dessen Wunsch eine Spritze mit todbringendem Inhalt bereitlegt, die der Schwerstkranke sich anschließend in freier Willensentscheidung selbst setzt, macht sich nicht strafbar, wer hingegen die todbringende Spritze auf Wunsch des Sterbenskranken verabreicht, weil dieser hierzu nicht mehr selbst in der Lage ist, macht sich wegen Tötung auf Verlangen strafbar. Maßgeblich für die Unterscheidung zwischen Tötung auf Verlangen und bloßer Teilnahme am Suizid ist, ob die letzte Entscheidung über die Herbeiführung des Todes bei dem Betroffenen selbst verbleibt oder ob die Entscheidung über den Todeseintritt einem Dritten letztverantwortlich obliegt.
Andererseits kann jeder Patient aufgrund des ihm zustehenden Selbstbestimmungsrechts die Fortführung einer medizinischen Behandlung ablehnen und beispielsweise auch durch Nichtanwendung von nach medizinischer Sicht gebotenen lebensverlängernden Maßnahmen den Sterbeprozess beeinflussen.
Umstritten ist, ob bei Fällen, in denen der Patient völlig entscheidungsunfähig oder zumindest nicht mehr ansprechbar ist, das Absetzen von Therapien und das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen zulässig ist. Dies sind die Fälle der sogenannten passiven Sterbehilfe. Muss der Arzt einen Patienten, der nach einem schweren Verkehrsunfall in ein nach medizinischer Erkenntnis dauerhaftes Koma verfallen ist, bis zum Eintritt des Hirntodes mit allen technisch einsetzbaren Apparaten am Leben erhalten?
Die überwiegende Auffassung der Strafrechtler und Verfassungsrechtler geht dahin, dass die Lebenserhaltungspflicht dann enden darf, wenn einem Patienten aufgrund unwiederbringlichen Verlustes jeglicher Reaktionsfähigkeit die Möglichkeit weiterer Selbstwahrnehmung und Selbstverwirklichung genommen ist. Bei nachweislich irreversiblem Bewusstseinsverlust stellt demnach ein einseitiger Behandlungsabbruch keinen Verstoß gegen das Fremdtötungsverbot dar, auch wenn ein Arzt als sogenannter Garant ansonsten durch die Übernahme der ärztlichen Behandlung grundsätzlich wegen Tötung durch Unterlassen belangt werden kann, wenn er nicht alle medizinisch gebotenen Möglichkeiten zur Vermeidung des Todeseintritts ausschöpft.
Begründet wird diese Rechtfertigung des einseitigen Behandlungsabbruchs mit der Zielsetzung des ärztlichen Auftrages (vgl. Albin Eser in: Walter Jens, Hans Küng, Menschenwürdig sterben, 2. Auflage 1998, Seite 161 ff.). In der Lebensverlängerung als solcher sei kein ausschließliches Ziel der medizinischen Praxis mehr zu erblicken. Nicht die quantitativ-biologische Verlängerung des Lebens um ihrer selbst willen, sondern im Zusammenhang damit auch die Ermöglichung eines Minimums an personaler Selbstverwirklichung sei Inhalt des ärztlichen Auftrags. Erweist sich dieses Ziel als nicht mehr erreichbar, so ist weiteres medizinisches Bemühen schon nicht mehr Dienst am Menschen und damit auch rechtlich nicht mehr geboten.
Schwierigkeiten bestehen, verbindliche Leitlinien für die Grenzen der Lebenserhaltungspflicht aufzuzeigen. Die Schweizer Richtlinien für Sterbehilfe aus dem Jahr 1977 empfehlen, dass ein Arzt mit der Behandlung aufhören darf, wenn der Patient "kein bewusstes und umweltbezogenes Leben mit eigener Persönlichkeitsgestaltung" mehr wird führen können. Eser (a.a.O. Seite 164) möchte den Zeitpunkt, von dem an kein bewusstes und umweltbezogenes Leben mehr möglich ist, dahingehend konkretisieren, dass ein irreversibler Bewusstseinsverlust feststehen muss. Ein Behandlungsabbruch wäre dann von dem Moment an zulässig, wo nach menschlicher Einschätzung ein Patient nie mehr zum Bewusstsein zurückfinden kann.
Wenn die Kriterien erfüllt sind, die einen einseitigen Behandlungsabbruch durch das Unterlassen lebensverlängernder Maßnahmen (passive Sterbehilfe) rechtfertigen, ist auch ein technischer Behandlungsabbruch erlaubt. Unter einem technischen Behandlungsabbruch wird beispielsweise das Abschalten eines Beatmungsgerätes durch den dafür zuständigen Arzt verstanden. Obwohl dieses Abschalten ein aktives Tun darstellt und damit dem Fremdtötungsverbot zuwiderläuft, entspricht dieses Handeln seinem sozialen Sinn nach der Einstellung einer medizinisch sinnlos gewordenen und der Menschenwürde widersprechenden Weiterbehandlung unmittelbar in der Phase des Sterbens befindlicher Patienten.
Eine weitere Fallgruppe umfasst die sogenannte indirekte Sterbehilfe. Gemeint sind Fälle, in denen ein Arzt zur Schmerzlinderung ein bestimmtes Mittel, z.B. Morphium, verabreicht und hierbei ein lebensverkürzendes Risiko dieses Schmerzmittels bewusst in Kauf nimmt. In rechtlicher Hinsicht problematisch ist, dass der Arzt hier bedingt vorsätzlich handelt. Nach heute vorherrschender Auffassung ist die Inkaufnahme des tödlichen Risikos bei der Vergabe von schmerzlindernden Mitteln nicht strafbar, da der Arzt in erster Linie eine Schmerzlinderung herbeiführen will und ein tödliches Risiko nicht beabsichtigt. Wenn sein Handeln in tatsächlichem oder mutmaßlichem Einvernehmen mit dem Patienten steht, liegt ein die Bestrafung ausschließender Rechtfertigungsgrund vor.
Da das Recht zur Selbstbestimmung über den eigenen Körper in den Kernbereich der durch Art. 1 und 2 GG insgesamt geschützten menschlichen Würde und Freiheit gehört, ist bei der passiven und indirekten Sterbehilfe der Vorrang des erklärten Patientenwillens auch verfassungsrechtlich verbürgt (Friedhelm Hufen, In dubio pro dignitate. Selbstbestimmung und Grundrechtsschutz am Ende des Lebens. Neue Juristische Wochenschrift 2001, S.849 (856)). Der tatsächlich geäußerte oder zu einem früheren Zeitpunkt dokumentierte Wille - als der Patient zu selbstverantwortlichem Handeln noch in der Lage war- ist verbindlich und darf nicht übergangen werden.
Aktive Sterbehilfe hingegen stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf Leben dar, der nach geltendem Recht durch die Einwilligung des Patienten nicht gerechtfertigt werden kann.
2. Rechtspolitische Leitsätze der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben e.V. zu einer gesetzlichen Regelung der Sterbehilfe:
Eine aktive Sterbehilfe, d.h. eine auf die Abkürzung eines Leidenszustandes zielende Tötung, bei der die Tatherrschaft nicht beim unheilbar Kranken selbst, sondern bei einem anderen liegt, soll nach Auffassung der DGHS in seltenen Extremfällen rechtlich erlaubt sein. Diese Beschränkung auf Extremfälle sei notwendig, um den Gefahren des Missbrauchs, des Vertrauensverlustes und der möglichen Ausweitung der aktiven Sterbehilfe auf Fälle von Mitleidstötung, in denen der unheilbar Kranke eine Sterbehilfe nicht ausdrücklich verlangt, zuvorzukommen. Der Extremfall, der eine aktive Sterbehilfe zulässig macht, ist nach Auffassung der DGHS dann gegeben, wenn die Tötung die Abkürzung eines schweren und voraussichtlich bis zum Tod andauernden Leidenszustandes zum Ziel hat, der Wille des unheilbar Kranken auf einer frei verantwortlichen, informierten und ernstlichen Entscheidung beruht und andere Mittel der Leidensminderung, wie insbesondere palliative Maßnahmen nicht zur Verfügung stehen oder von dem Patienten abgelehnt werden und als weitere Voraussetzung außerdem feststeht, dass der unheilbar Kranke, der den Tod wünscht, zu einer Selbsttötung dauerhaft körperlich nicht in der Lage ist.
Die DGHS schlägt vor, § 216 StGB um einen weiteren Absatz zu ergänzen, in dem die dargelegten Voraussetzungen ausdrücklich geregelt werden. Wenn die Tötung eines unheilbar Kranken auf dessen Verlangen von einem Arzt ausgeführt wird, sei es außerdem geboten, dass zusätzlich eine schriftliche Erklärung des Patienten vorliegt, dass er getötet zu werden wünscht. Außerdem habe ein zweiter Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen (Abkürzung eines schweren Leidenszustandes, eigenverantwortliche Entscheidung, Fehlen oder Ablehnung anderer palliativer Maßnahmen, körperliche Unfähigkeit zur Selbsttötung) zu bestätigen.
Nach Auffassung der DGHS soll eine gesetzliche Regelung der Sterbehilfe das Recht jedes unheilbar Kranken, über sein Leben und Sterben sowie über Art, Umfang und Abbruch medizinischer Maßnahmen zu bestimmen, stärken und durchsetzen. Eine gesetzliche Regelung soll den Ärzten Spielräume für eine Hilfe beim Sterben unheilbarer Kranker eröffnen, diese Spielräume aber auch begrenzen. Missbräuchen der Sterbehilfe im Sinne der Verfolgung von anderen als im Wohl und Willen des Patienten begründeten Zwecken sollen verhindert werden.
Die DGHS grenzt sich gegenüber der Hospizbewegung mit ihren eigenen Worten wie folgt ab:
"Allerdings fordert die DGHS für Sterbende noch mehr als Schmerzbekämpfung und menschliche Zuwendung, wie sie von den Hospizen angeboten werden. Die DHGS stellt hier den Willen des Sterbenden noch stärker in den Vordergrund als die Hospizbewegung(en). Im Normalfall lehnt zwar auch die DGHS aktive Sterbehilfe ab. Doch ist sie in seltenen, extremen Fällen auch dafür - wenn der Kranke dies ausdrücklich wünscht und damit einen Leidenszustand abkürzen will, der mit seiner persönlichen Würde nicht vereinbar ist ... Die Hospizgruppen schließen eine solche aktive Sterbehilfe - auch wenn der Kranke dies ausdrücklich wünscht absolut aus."
Die DGHS spricht sich demnach für eine ähnliche gesetzliche Regelung wie in den Niederlanden aus. Dort wurde vor einigen Monaten die seit Anfang der 80‑er Jahren praktizierte Duldung aktiver Sterbehilfe durch eine gesetzliche Grundlage legitimiert. Auch nach den niederländischen Bestimmungen ist eine aktive Sterbehilfe nur ausnahmsweise zulässig, wenn der Todeskandidat seinen Wunsch zu sterben unbeeinflusst und bei klarem Bewusstsein erklärt hat, sein Leiden schwer, ja unerträglich und durch keinerlei medizinische Maßnahmen zu lindern ist und vor dem Euthanasie‑Akt der behandelnde Arzt einen Kollegen zu Rate gezogen hat. Nach Gewährung der Sterbehilfe ist außerdem einer Prüfungskommission, welche die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften überwachen soll, ein Fallbericht zuzusenden.
3. Einwände gegen eine Legalisierung aktiver Euthanasie:
Bei den folgenden Darlegungen wird auf die von Albin Eser in: Walter Jens, Hans Küng, Menschenwürdig sterben, 2. Auflage 1998 zusammengetragenen Sichtweisen weitgehend Bezug genommen.
Die Befürworter der Legalisierung der aktiven Euthanasie verweisen auf die unterschiedliche, ihrer Auffassung nach teilweise willkürliche Behandlung von passiver und aktiver Sterbehilfe. Sie werfen die Frage auf, ob eine schnellwirkende Injektion grundsätzlich ethisch und rechtlich verwerflicher sei als ein die Qual des Sterbens verlängernder Nahrungsentzug. Auch sei die Unterscheidung zwischen gerechtfertigter Schmerzlinderung mit Tötungsrisiko (indirekte Sterbehilfe) einerseits und der unzulässigen gezielten Tötung als Mittel der Schmerzlinderung (aktive Euthanasie) andererseits nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Abgrenzung zwischen strafloser Beihilfe zur Selbsttötung und strafbarem Töten auf Verlangen. Es drängt sich die Frage auf, ob das Zurücklassen von Schlaftabletten auf dem Nachttisch des Patienten, um diesem die Selbsttötung zu ermöglichen, als Handlungsweise wirklich so verschieden von dem Fall ist, dass eine Überdosis vom Arzt injiziert wird. Die gegenwärtigen rechtlichen Bestimmungen seien zu hart. Das Sterben sei noch nicht als Teil der Persönlichkeitsverwirklichung begriffen worden. Die gesetzlichen Bestimmungen würden teilweise das Recht, in Würde zu sterben, vereiteln.
Es mag zwar denkbar sein, dass der Gesetzgeber nicht gegen Verfassungsrecht verstößt, wenn er die Strafbarkeit aktiver Sterbehilfe für solche strikt eingegrenzten Fälle aufheben würde, in denen beispielsweise ein Todkranker diese ohne äußeren Druck und bei vollem Bewusstsein verlangt (Friedhelm Hufen, In dubio pro dignitate. Selbstbestimmung und Grundrechtsschutz am Ende des Lebens. Neue Juristische Wochenschrift 2001, Seite 849 (855)). Ob das im Grundgesetz garantierte Recht auf Leben (Art. 2) aber ohne weiteres auch ein Recht über Leben garantiert und damit über eine Respektierung der Selbsttötung seitens des Staates hinausgeht, ist zumindest fraglich. Die "Freiheit zu Sterben" wirft eine Vielzahl weiterer Fragen auf. Eser (a.a.O. Seite 172) führt hierzu aus:
"Denn wir müssen uns darüber klar sein, dass dort, wo man die Tötung auf Verlangen für rechtmäßig erklären will, aus dem Recht zum Sterben ein Recht auf Getötetwerden gemacht wird. Wer aber dies tut, der übersieht, dass bei einem Recht auf Getötetwerden notwendigerweise noch eine andere Person mit in die Tötung einbezogen werden muss, dass also genau besehen mit der Anerkennung eines solchen Anspruchs die Pflicht des Staates korrespondieren müsste, jemanden für diese Tötung zur Verfügung zu stellen."
Die Befürworter einer Legalisierung aktiver Euthanasie übersehen die Folgewirkungen ihrer Forderungen. Wenn das Tötungstabu aufgeweicht wird, kann ein ethischer Dammbruch die Folge sein. Albin Eser weist zur Recht darauf hin, dass das Leben durch seine Verfügbarkeit zugleich seine Unantastbarkeit verliert. Wenn die Tabugrenze einmal überschritten ist, stellt sich die Frage, warum dann Leben nicht auch in anderen Fällen verfügbar sein soll. "Warum nur da, wo sich ein Mensch selbst aufgibt? Warum nicht auch dort, wo er sich nur unvernünftigerweise nicht aufgibt?" (Eser a.a.O. Seite 174)
Das geltende Strafrecht betont nachhaltig das Fremdtötungsverbot. Wenn dieses Tabu aufgelöst wird, darf gefragt werden, welches Argument ein aussichtslos kranker Mensch gegen die Erwartung seiner Umwelt, von seinem Recht auf Getötetwerden doch endlich Gebrauch zu machen, noch vorbringen kann. Die Freiheit zum Tod kann schnell in eine Unfreiheit zum Leben umschlagen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die zunehmenden Erwartungen einer effektiven Kostenersparnis im Gesundheitswesen. Der Respekt vor dem Leben und die Angst vor einer Gefährdung der Menschenwürde nährt diese "Dammbruchargumentation".
Nicht übersehen werden sollte freilich, dass auch die Befürworter einer gesetzlichen Sterbehilferegelung die verfassungsrechtlich garantierte Menschenwürde und das Selbstbestimmungsrecht als Leitmotiv für ihren Reformwillen benennen und zu Recht betonen, dass der Lebensschutz nicht gegen Menschenwürde und Selbstbestimmung ausgespielt werden darf. Letztlich sind unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten im modernen Rechtsstaat unterschiedliche Regelungsmodelle denkbar. Für welches Modell sich eine Gesellschaft entscheidet, ist eine politisch Frage.
Aus der Sicht des Verfassers kann bei Ausschöpfung der derzeitigen gesetzlichen Möglichkeiten nicht davon die Rede sein, dass der Patientenwille nicht hinreichend zur Geltung kommen kann. Die Selbstbestimmung findet freilich ihre Grenze am politisch gewollten absoluten Fremdtötungsverbot.
Zu überlegen ist, ob in Anlehnung an den Stuttgarter Alternativentwurf eines Gesetzes über Sterbehilfe aus dem Jahr 1986 der Mitleidsmotivation in Fällen aktiver Sterbehilfe insoweit Rechnung getragen wird, als bei einer aktiven Sterbehilfe von Strafe abgesehen wird, wenn die Tötung der Beendigung eines schwersten, vom Betroffenen nicht mehr zu ertragenden Leidenszustandes dient, der nicht durch andere Maßnahmen behoben oder gelindert werden kann. Der Stuttgarter Alternativentwurf hat insoweit eine Ergänzung des § 216 StGB vorgeschlagen. Im Unterschied zu der von der DGHS geforderten Gesetzesänderung geht der Stuttgarter Alternativentwurf weiterhin davon aus, dass eine aktive Sterbehilfe grundsätzlich rechtswidrig ist und nur in einem besonderen Ausnahmefall trotz rechtswidrig‑schuldhaften Verhaltens von einer Bestrafung abgesehen werden soll. Die weitergehende Forderung der DGHS, die aktive Sterbehilfe in diesem Ausnahmefall sogar als rechtlich zulässig anzuerkennen, ist wegen der sozialpolitischen Folgewirkungen (Dammbruch-Argument) abzulehnen.
Dr. Markus Kleine
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht
4.) Zusammenfassung:
Das geltende Strafrecht in der Bundesrepublik ist von dem sogenannten Fremdtötungsverbot beherrscht. Gleichwohl werden in besonderen Situationen der einseitige Behandlungsabbruch eines todkranken Patienten oder die indirekte Sterbehilfe durch Gabe schmerzlindernder Mittel mit lebensverkürzendem Risiko gebilligt. Vor dem Hintergrund der Entwicklungen in den Niederlanden wird von einzelnen Gruppierungen ein Recht, in Würde zu sterben und eine Legalisierung aktiver Euthanasie in eng begrenzten Ausnahmefällen gefordert. Befürchten manche alten, kranken, behinderten oder sterbenden Menschen im Falle einer teilweisen Legalisierung der aktiven Sterbehilfe zu Recht einen sozialen Druck in Richtung eines bösen "sozialverträglichen Frühablebens" (Ex-Bundesärztekammerpräsident Vilmar)?
Dr. Markus Kleine erläutert die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland und geht anschließend auf die Vorschläge der Deutschen Gesellschaft für humanes Sterben zu einer Reform der gesetzlichen Bestimmungen ein. In einem dritten Kapitel werden Einwände gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe dargestellt.