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Evangelisches Gemeindeblatt für Württemberg, Sonntag,
23.01.2005
Geschmack des Lebens
nachspüren
Pater Anselm Grün in der Johanneskirche Weinsberg
Nicht nur die Flutkatastrophe in Südostasien hat deutlich gemacht:
Der Tod ist mitten im Leben. Ohne zu wissen, dass das lange gewählte
Vortragsthema, "Mitten im Leben vom Tod umfangen" eine
aktuelle Bedeutung erhalten würde, hatte der Hospizdienst Weinsberger
Tal Pater Anselm Grün zu diesem Thema am Jahresbeginn in die
Weinsberger Johanneskirche eingeladen.
Das Thema wurde formuliert, nachdem vor einem Jahr Martin Rau, der
zweite Vorsitzende des Hospizdienstes Weinsberger Tal, 40-jährig
unerwartet gestorben war. Jetzt kamen rund 1000 Menschen in die Kirche,
um Anselm Grün zu hören.
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Der Hospizdienst Weinsberger Tal hatte Pater Anselm Grün zu einem
Vortrag nach Weinsberg eingeladen. Rechts im Bild der
Hospizdienst-Vorsitzende Horst Gold.
Foto: Margit Stöhr-Michalskiy
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"Wir vertun eine Chance, wenn wir den Tod verdrängen",
sagte der Benediktinermönch der Abtei Münsterschwarzach zu Beginn.
Nämlich die Chance, dem Leben "die eigene Lebensspur
einzugraben", sich zu versöhnen und die Chance, "dass
Beziehungen ehrlich werden". "Das Denken an den Tod, heißt
das Geheimnis des Lebens wahrzunehmen", betonte Anselm Grün. Das
Leben selbst sei ein ständiges Loslassen, von Geburt an, das in den Tod
als "Gipfel des Loslassens" münde.
Drei Bilder aus der Bibel wählte Grün aus, die helfen sollten, das
Geheimnis des Todes zu verstehen. Das erste Bild beinhaltete die
Abschiedsworte Jesus "Ich gehe hin um Euch eine Wohnung zu
bereiten". Das sei ein großer Trost, meinte der Benediktiner: Der
Mensch, der vorangegangen sei, nehme einen Teil des gemeinsam Gelebten
und Erlebten mit "und schmückt die Wohnung für uns".
Die Engel, die den "Armen Lazarus" nach seinem Tod trugen,
seien das zweite Bild. "Keiner wird alleine sterben, jeder werde
von Engeln über die Schwelle getragen" - ein Bild der Geborgenheit
also.
Das dritte beschriebene Bild zeigte Maria mit dem toten Jesus auf dem
Schoß, das Bild der "Pieta". Es drücke die Sicherheit aus,
"dass wir in die mütterlichen Arme Gottes übernommen
werden", sagte Pater Anselm Grün.
Trauernde bräuchten Rituale. Auch bei einem plötzlichen Tod sei es
nie zu spät für ein Ritual, erklärte Grün. Dabei könne das Beten
wie ein Begleiten sein. "Ich darf auch den Verstorbenen bitten,
dass er mich begleitet." Auch sei es normal, dass Schuldgefühle
kämen. "Doch der Verstorbene ist im Frieden, er will nicht, dass
wir Schuldgefühle haben", betonte er.
Die ungewisse Frage nach dem, was nach dem Tod erwartet werde,
beantwortete der Benediktinermönch mit den Worten. "Wir dürfen
vertrauen, dass wir dem liebenden Gott begegnen, aber auch der eigenen
Wirklichkeit". Dass könne schmerzlich sein, "doch wir dürfen
auf die vergebende Liebe Gottes vertrauen". Im Tod werde alle
Sehnsucht erfüllt sein, "wir werden Gott schauen", sagte
Grün.
Abschließend gab er den Zuhörern mit auf den Weg, jeden Tag bewusst
zu leben im Angesicht des Todes und "dem Geschmack des Lebens
nachzuspüren".
Margit Stöhr-Michalsky |
Heilbronner Stimme, 12.01.05
- von Joachim Kinzinger
Mönch macht den Menschen Mut "ohne seichte
Ratschläge"
Wo er auftritt, strömen die Menschen in Scharen. Wo er spricht, sind
viele Leute von seiner Botschaft berührt. Vor über 950 Zuhörern
beleuchtet Pater Anselm Grün das Thema "Mitten im Leben vom Tod
umfangen" in der Weinsberger Johanneskirche.
Nichts geht mehr: Alle Plätze auf dem Grasigen Hag sind zugeparkt.
Besucher steuern Feldwege an, eilen zur Johanneskirche. Längst sind
Kirchenbänke und Stühle besetzt. Zusätzliche Holzbänke werden
aufgeklappt. Menschen sitzen auf Steinstufen, stehen dicht gedrängt im
Kirchenschiff, unter dem Kreuz.
Für den
Benediktinermönch, Bestseller-Autor und geistlichen Berater von
Topmanagern ist dies ein gewohntes Bild. Wenn der 59-Jährige auftritt,
geraten Veranstalter in Platznot. Fast hätte die evangelische Kirche
wegen Überfüllung geschlossen werden müssen.
Horst Gold, Vorsitzender des Hospizdienstes Weinsberger Tal, hat den
Mönch von der Abtei Münsterschwarzach bei Würzburg im Februar 2004
angerufen. "Der 10. Januar war der einzige Tag, an dem er 2005 noch
Zeit hatte." Der Cellerar, der die wirtschaftlichen Bereiche der
Abtei leitet, ist ein viel beschäftigter Mann: "Von 130 Anfragen
kann ich 80 nehmen." Und nur im Umkreis von 350 Kilometer. Denn:
"Ich fahre nachts wieder heim." Zum zehnjährigen Bestehen des
Hospizvereins im Weinsberger Tal beleuchtet er das Thema Tod.
In seiner schwarzen Kutte sitzt der Seelsorger bescheiden auf dem
Stuhl, lächelt, umlagert von Menschen. "Es ist das Größte, dass
ich sie treffe", murmelt eine Frau. Der Mönch mit dem langen
grauen Haar und Vollbart signiert Buch um Buch. Allein 130 Titel sind
von ihm in einer Auflage von fünf Millionen erschienen. Aus
christlicher Tradition heraus will er Antworten auf die Fragen des
Lebens geben - Bücher über Sehnsucht und Freundschaft, Glück und
Glaube, Psychologie und Engel. "Ich will den Menschen Mut machen,
ohne seichte Ratschläge zu erteilen", sagt der Pater, der morgen
seinen 60. Geburtstag feiert. "Es gibt eine große Sehnsucht nach
Spiritualität." Die christliche Botschaft baue auf.
Seine schlichte Sprache, die klaren Gedanken und die einfache
Botschaft fallen auch in Weinsberg auf fruchtbaren Boden. "Die
Mönche müssen sich täglich den Tod vor Augen halten, um realistisch
zu leben", steigt der Katholik ins Thema ein. Anselm Grün
empfiehlt den Zuhörern, bewusster zu leben, die "Lebensspur
einzugraben." Der Tod dürfe auch bei Schwerstkranken nicht
verdrängt werden. Der Pater, der Theologie, Philosophie und
Betriebswirtschaft studiert hat, hält es für wichtig,
Versöhnungsprozesse in der Familie einzuleiten. "Das Sprechen
über den Tod ist die Chance, dass Beziehungen ehrlicher werden."
Viele könnten jedoch nicht loslassen.
Aus philosophischer Sicht charakterisiert der Benediktinermönch den
Tod als "letzte Freiheitstat des Lebens", aus theologischer
Sichtweise als "die Begegnung mit dem liebenden Gott". Er
empfiehlt beim Umgang mit dem Sterben "gute Trauerrituale". So
wie die todkranke Mutter, die noch einen Abschiedsbrief an ihre kleinen
Kinder schrieb. Auch die Krankensalbung sei hilfreich im Kreise der
Familie, um Nähe zu zeigen. Trauer darf gelebt werden: Schmerz,
Abschied, auch Wut über die Verletzung, das Verlassen. Das Beten sei
wie ein Begleiten. Auch Kinder bräuchten Trauererfahrung und Rituale.
Er rät, über Verstorbene in Trauer und Dankbarkeit nachzudenken. |
Pater Anselm Grün
Mitten im Leben vom Tod umfangen
Montag, 10 Januar 2005, 20 Uhr
Johanneskirche in Weinsberg
Die Gegenwart des Todes wird uns bei vielen Gelegenheiten bewusst,
besonders eindringlich an jedem Sterbebett. Das Wissen um die Begrenztheit
des Lebens ist aber nicht nur bedrohlich, sondern sie hilft, den Dingen in
unserem Leben die richtige Bedeutung zuzuordnen, erleichtert manche
Entscheidung und kann letztlich auch trösten.
Pater Dr. Anselm Grün ist Benediktinermönch in der Abtei
Münsterschwarzach bei Würzburg. Er erkannte die besondere Verbindung der
Tradition der alten Mönchsväter zur modernen Psychologie. In Kursen und
Vorträgen geht er auf die Nöte und Fragen der Menschen ein.
Der Eintritt ist frei. Die Kosten übernimmt der Hospizdienst
Weinsberger Tal. Am Ausgang bitten wir um eine Spende für das
Franken-Hospiz.
Wegbeschreibung >> > hier
Pater
Dr. Anselm Grün OSB
wurde
am 14. Januar 1945 im fränkischen Junkershausen geboren. Seine Kindheit
verbrachte er in München. Im Elektrogeschäft seiner Eltern verkaufte er
dort bereits als kleiner Junge Glühbirnen und Taschenlampen.
Mit
19 Jahren wurde er Benediktinermönch in der Abtei Münsterschwarzach bei
Würzburg. Dort lernte Pater Anselm die Kunst der Menschenführung aus der
Regel Benedikts von Nursia kennen und entdeckte bereits in den 70er Jahren
die Tradition der alten Mönchsväter wieder, deren Bedeutung er besonders
in Verbindung mit der modernen Psychologie sieht.
Seit
1977 ist er, nach seinem Studium der Philosophie, Theologie und
Betriebswirtschaft, der wirtschaftliche Leiter (Cellerar) der Abtei Münsterschwarzach
und damit für rund 300 Mitarbeiter in über 20 Betrieben verantwortlich.
In
zahlreichen Kursen und Vorträgen geht er auf die Nöte und Fragen der
Menschen ein. So ist er zum spirituellen Berater und geistlicher Begleiter
von vielen deutschen Topmanagern geworden und gehört zu den
meistgelesenen christlichen Autoren der Gegenwart.
http://www.anselm-gruen.de/
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